Zurück über die
Adria fühle
ich mich
in Italien
wieder wie
in einem
zivilisierten Land.
Für Castelluccio macht ein deutscher Drachenhersteller und damit im Einklang eine Flugschule viel
Werbung. Starkwindfliegen, die
Garantie für
Flüge unter
die Wolkenbasis,
ein 5
x 5
km großer
Landeplatz ...
das alles finde
ich nach
kurzer Fahrt
von Ancona
hier herauf
auch vor.
Der kleine
Ort liegt
auf dem
Bergzug in
der
Mitte des italienischen Stiefels. In den Sibyllinischen Bergen gibt es ein „Piano Centrale“ genanntes Hochplateau. Der Monte
Vettore darüber ist einer der Hauptgipfel der Gruppe. Rund um das Plateau gibt es für fast alle Richtungen Startplätze. Ein Flie-
gerparadies. Eine Pferde- eine Rinder- und eine Schafherde beweiden die Wiesen im Piano und die sanften Buckel außenherum.
Aus dem Kessel
nach unten
liegt 1000m
tiefer die von fruchtbaren Äckern umgebene Schweinezüchter-Stadt Norcia di Umbra.
Die Seewinde von Adria und Tyrrene wechseln sich hier als kräftiger Ost- oder Westwind ab. Manchmal dreht es unvermittelt
an einem Tag.
Im Frühjahr
ist aber
hier oben schon recht zuverlässiges Schönwetter. Die Überbleibsel vom schneereichen
Winter sind allerdings
noch deutlich zu sehen. Warum ich überhaupt keine Flieger sehe, wundert mich dann aber schon.
In der Dorfkneipe
erfahre ich:
Der "Instructore
tedesco" kommt erst in zwei Wochen Mitte Mai. Ich sei einfach zu
früh dran. Der
weiß warum. Die Auffahrt-Piste zum einfachsten Startplatz ist wegen Schnee noch nicht passier-
bar. Schade, von hier würde man im Falle eines Absaufers direkt zum offiziellen Landeplatz gleiten.
Am nächsten Tag
sieht alles
traumhaft aus.
Nur der Wind ist ziemlich stark.
Ich nehme den
Startplatz mit
dem poetischen
Namen "Inghiotittoio".
Er
ist von der Pass-Straße aus zu Fuß zu erreichen. Sogar ein Windfähnchen
steht dort bereit.
Ein Nachteil
ist, beim
Absaufer kann
ich unten
zwar
sicher landen, aber
kein Fahrweg
ermöglicht es,
den Drachen
abzuholen.
Zwei Kilometer weit tragen, oder 300m den Steilhang rauf wäre die Folge.
Der Aufbau im
Starkwind ist
mit dem
Saphir eher
mühsam. Aber
liegend
muss ich ihn
sowieso aufbauen.
Der Start
verläuft auf
der flachen
Wiese
überraschend sanft. Keine
Zickerei, wie
auf der
einen oder
anderen Rampe.
Ich hebe die
Nase an,
laufe zwei
Schritte und
schon gleite
ich über
den Rasen.
Hart an dem Wiesenhang, eine Flügelspitze fast im Gras, achtere ich die ersten Meter auf.
Geländenähe kenne ich vom Fliegen im Mittelgebirge. Knapp über den Grasbuckeln
soare ich dann auch über eine halbe Stunde hin und her und freue mich an der
Aussicht nach Norcia und auf mein Autochen unten an der Passstraße.
Dann fängt das Vario an gleichmäßig zu singen.
Auf einmal fühlt es sich nach Alpinfliegen und Thermik
an. Ich riskiere einen Kreis. Der verläuft voll im Steigen.
Etliche weitere befördern
mich unter
eine fette
Wolke.
Ich kann von
oben auf
den Monte
Vettore schauen,
sehe Bergsteiger das
Schneefeld unter
dem Gipfel
queren. Würde ich
jetzt mit
Rückenwind abfliegen,
unter der Wolke bleiben, ein paar Dutzend Kilometer
hätte ich sicher.
Aber dann
fände ich
mich tausend
Meter tiefer in
völlig unbekanntem
Land wieder.
Das Zurücktrampen und
die Abholerei
würden
ewig dauern. Ich nehme die größere sportliche
Herausforderung an und fliege gegen den
Wind über das Piano Grande.
Von Wolke zu Wolke arbeite ich mich vorwärts.
Die Hochebene habe ich fast überwunden. Ich fühle
mich wie ein König der Lüfte. So werde ich wohl ein
wenig übermütig: Wenn
ich jetzt
die Rückseite
des
Monte Vettore anfliegen würde, könnte ich am Gipfel
herum soaren, ihn vielleicht sogar umrunden.
Voll durchgezogen steche ich auf den Berg herunter.
Leider ein bisschen zu früh. Um 50 oder 100m schaffe
ich es nicht
über den
Grat. So
finde ich mich zwar auf
der Sonnenseite des
Berges wieder, aber auch voll im
Lee. Vier bis fünf Meter pro Sekunde Sinken brummt
mir mein Vario
zu, ich
mag gar
nicht hinschauen.
Zu schauen habe
ich auch
dringenderes, nämlich
nach einem Landefeld.
Über dem
Grat des
kleineren Vettoretto und der anderen Passstraße
finde ich auch keinen rettenden Aufwind.
Eine verfallene Schäferhütte
zieht meinen
Blick auf sich. Rundherum sind bestellte Felder. Die sind nicht so steil, wie die Abhänge
des Vettore. An
der Grenze
zwischen zwei
Feldern drehe
ich den
Drachen in
den Wind,
also auf
den Berg
zu.
Die Landung verläuft trotz des erzwungenen schnellen Entschluss glimpflich und ohne Flurschaden,
zum Glück. Leckere Linsen werden hier angebaut, erfahre ich später.
Neben der Hütte
finde ich
ein Plätzchen
im Windschatten, zum Abbauen und relaxen.
Zum Glück habe
ich Trinkwasser
und Essen
dabei. Die Hütte heißt - warum auch immer –
"Casa degli amati",
"Haus der
Liebenden."
Das muss eine stürmische Liebe gewesen
sein! Denn von
meiner Landung
sieht sie nicht so verfallen aus.
Mit einer wunderschönen Wanderung
quer über das "Piano grande" beschließe
ich hoch zufrieden
über einen
unver-
gesslichen Flug den
Tag. Da hänge ich
doch gleich noch ein, zwei Tage dran