„Early bird“…
bei manchen Flugsport-Wettkämpfen gibt
es für frühe
Starter Bonuspunkte. “Early bird
catches
the train.“ Der
frühe Vogel
bekommt den Zug.
Das schlage
ich
meinem Vereinskameraden Ken, der
dieses Wochenende mit
mir an
den
Tegelberg fährt, als
Motto der
Wahl
vor. Richtig heißt
das Sprichwort natürlich „Der frühe Vogel fängt den Wurm.“
Aber auch „Den frühen Vogel frisst die
Katze.“ passt im Flugsport oft genug.
Zuerst zweifeln wir am Sinn einer Fahrt
ins Allgäu wegen
des anhaltenden
Südwindes. Der ist
zwar kein
Föhn, weil
die Inversion in
der Höhe
fehlt, die
zur
typischen Wellenbildung und
den bekannten gefährlichen Turbulenzen
führt.
Aber Südstartplätze sind
eben anderswo bessere. Ich
habe eher
stille Sorge
wegen der anhaltenden
Gewitterneigung. Monströse Gewitter über Säuling
und Aggenstein gehören
mit zu
den
ersten Erinnerungen meines Lebens.
Daher dränge ich darauf, die erste Bahn auf den Tegelberg zu nehmen. „Early bird“, vielleicht als
Akro-Training, oder so.
Damit kommen wir wenigstens zu einem schönen morgendlichen Gleitflug.
Und können dann entspannt auf Thermik lauern. Oder rechtzeitig vor möglichen Gewittern flüchten.
Am Samstag geht die Rechnung auf. Ich versuche einen zweiten Start, jetzt turmlos. Manni ist inzwischen auch da.
Über dem Königswinkel stehen fette Wolken. Das Vorland ist abgeschattet,
bis fast raus an die Ufer der Seen. Ich erinnere mich an die Flugstrategie
in Hinterweiler und
vergesse alle Bärte, die vom Relief des Tegelberg bestimmt sein könnten. Die dunkelste
Wolke peile ich an. Und die wenigen Sonnenflecken am Boden, die wenn alles
abgeschattet ist, recht häufig tragen sollen.
Vor dem Jagdberg fast am Bannwaldsee-Ufer erwische ich tatsächlich einen Steigkern,
der bis
an die
Wolken durchzieht.
So kann ich
entlang der
Basis ohne
Höhenverlust zum
Schönleitenschrofen Spazieren fliegen.
Da finde ich dann
allerdings nix mehr. Also kehre ich lieber zurück an den
Startplatz, wo ich
einige Gleitschirme
kurbeln sehe.
Tief unter
mir erkenne
ich den blauen
Gleitschirm von
Manni. Die seltene Gelegenheit,
ihn mal von oben
zu knipsen, lasse
ich mir nicht
entgehen. Er
knipst von
unten zurück.
Am Torschrofen scheint
trübe Sonne in den Fels. Dort kurbeln
einige Flieger. Ich
geselle mich
dazu und
kann noch mal Höhe
aufbauen. Dann sehe
ich Manni
auf mich
zu fliegen.
Weil ich
inzwischen allein bin,
kann ich
jetzt auch
die Drehrichtung
wechseln. Leider verliere
ich dabei auch den Aufwind. Letzte
Versuche an der Hornburg und über den Schwangau-Wiesen
bringen noch ein
paar Minuten
Flugzeit im
Nullschieber,
aber kein Steigen
mehr. Die
Thermik macht
Mittagspause.
Weil sich aus
Osten eine
fette Schauer
nähert, gehen
wir essen
und schmieden in
der Kneipe
Pläne an
welchem See,
wir den
Nachmittag ausklingen lassen.
Als die
Teller leer sind, ist der Regen
vorbei und am
Tegelberg scheint
wieder die
Sonne. Also
geben wir
uns eine dritte Chance. Für den mitreisenden Gleitschirmflieger-Freund
Ken ist es
sogar schon
der vierte
Versuch. Er
ist dabei, sich auf seinem
neuen Bergsteiger-Minischirm heiß zu fliegen.
Wie so häufig am Tegelberg wird der letzte Flug am Nachmittag, der beste.
Nur vor der
nächsten Schauer,
die diesmal
von West
heranzieht, muss
ich nach Buching flüchten. Dort sind keine Gleitschirme in der Luft. Also
erlaube ich mir
eine Sicherheits-Außenlandung auf dem dortigen Gleitschirm-Landeplatz und werde
mit fröhlichem
Hallo begrüßt.
Dank
an Ken und Flieger-Hans für die märchenhaft schnelle Abholung!
Am Sonntag dann fast das gleiche Spiel:
Manni fliegt meinen Fexi vor. Ich sehe die ewige Warterei
auch nicht ein und versuche mein Glück wieder mit der dunkelsten Wolke.
Beide erfreuen wir als Wind-Dummys die Wettkampf-Teilnehmer der aufgetrabten Vereins-Meisterschaft. Wir bekommen jeder einen schönen Gleitflug.
Die bekannt schwache
Vormittags-Thermik des
Tegelbergs reicht
mir
einfach nicht zum
Obenbleiben. Aber
ich habe
ja noch
einen Versuch.
Meinen Drachen hat
Manni inzwischen
wieder akkurat
eingepackt.
Der Nordwind unten
hat mich
mit dem
turmlosen Monster
auf die Außenlandewiese
getrieben. Dort
halten Gaffer
mit dem Auto
an. Ich
presse sie,
mich zum
Auto an
der
Tegelbergbahn rauf zu kutschieren (Herzlichen Dank!).
Manni ist dann
überrascht, wo
ich so
schnell
herkäme mit meinem
eigenen Fahrzeug.
Der beste Flug des Wochenendes kommt dann um halb
vier unter fetten Blumenkohl-Wolken - heute ohne Regen.
Vor mir ist
das ganze
Wettkampf-Feld gestartet
und
die meisten sind,
wie ich
zuvor, direkt
zum Landeplatz
geflogen. Außer
Arnd,
der tatsächlich
zum Breitenberg
und zurück auf
Strecke war.
Hans hat
sich gleich
in viel
Geduld geübt und erwischt mit mir diese späte gute Phase.
Ein anderer Pilot
mit Aufschrift
„Aeros“ auf
dem Flügel
fliegt mich gleich dreimal auf Kollisionskurs an. Verpflichten die Drachen
mit den
militaristischen Namen zu einem
aggressiven Flugstil? Muss er 100 m neben mir in gleicher
Drehrichtung kurbeln, obwohl
er mich
steigen sieht?
Muss er mich
- vermeintlicher
Anfänger mit
quietschig
buntem Turmdrachen -
aus dem
Bart schubsen,
bloß weil
er selbst unfähig
beim Zentrieren
ist? Mit
anderen Gleitschirmen, Drachen und
Segelfliegern kann ich zusammen aufdrehen, aber mit ihm nicht. Ich finde keine Erklärung, kann ihm
aber eine Viertelstunde später von weit oben zuschauen, wie er
immer noch im Nullschieber über dem Torschrofen herumeiert.
Der arme Ken wollte pünktlich nach Hause und muss nun
über eine Stunde auf mich warten. Diesmal hat sich
die weite Fahrt ins Allgäu richtig gelohnt.
WinDfried (Samstag 31. Mai / Sonntag 1. Juni 2008)