Von Berchtesgaden
reise
ich weiter
nach
Schladming im Ennstal. Hier trifft sich der Verein
DGC-Siebengebirge
zu seinem
Vereinsausflug.
Da Mai volle Nebensaison ist, können wir ein ganzes
Hotel für den Verein ausbuchen. Der Wirt ist zugleich
auch Landwirt. Extra
für uns
mäht er
in der
Nähe
eine große Wiese
als eigener
Privat-Landeplatz.
Hier im Ennstal unter der imposanten Kulisse
des hohen Dachstein wimmelt es von Fluggeländen.
Zur besten Thermikzeit des Jahres machen die meisten
Seilbahnen Revision. Das
schadet aber
nichts, denn
auf die Planai (Nord) und den Stoderzinken (Süd) führen
Mautstraßen hinauf. Die
Bischlingbahn bei
Werfenweng
(West, auch Ost) läuft wenigstens am Wochenende. Alle
haben etwa 1000
m über
dem zugehörigen
Landeplatz.
Die Südkante des Dachstein ist eine weniger bekannte,
dafür abwechslungsreichere Rennstrecke
als der
nahe gelegene und besser vermarktete Pinzgau.
Ich bin als einziger "Alibi-Drachen"
für den ersten
Buchstaben unseres Vereins-Namens dabei.
Ungewöhnlich viele sympathische Leute habe ich in diesem Verein gefunden,
und praktisch keine Flugverhinderer. Fast immer findet sich ein Freiwilliger für
den Fahrdienst. Dafür
wird das
Drachenflieger-Auto rabiat
mit Gleitschirmen
voll gepackt. Etliche im Verein sind frühere Drachenpiloten, die wegen der Gemüt-
lichkeit zum Schirm gewechselt haben. Lust zum Fotografieren habe ich keine, bei so
viel Möglichkeiten von neuen Startplätzen abzuheben. Eigentlich immer sind Linsen
auf mich gerichtet bei Start und Landung. Mal ist es Wehmut und die Lust selbst
auch mal wieder
im Drachen
zu hängen.
Bei den
reinen Gleitschirm-Piloten
mag auch die
Spannung eine
Rolle spielen,
wenn mein
Start und
Abflug
auf den flachen
Wiesenstartplätzen etwas
sehr geländenah
ausschaut.
Am Samstag segele ich
meine beiden Drachen
die 1100m von der Planai
herunter. Ausgerechnet
als ich mit dem Foil zur Landung einschwebe, ist
die
Hotel-Wiese voller Silageballen. Spannend, besonders für die
Zuschauer.
Am Sonntag ruft der Bischling,
weil die Bahn zur Verfügung steht.
Ich polemisiere herum. Ich wolle nicht
bei Ostwind in einem Westgelände fliegen.
Es gibt dort auch einen Oststartplatz, aber
dann muss man
hinter den
Berg ins
Lee
zur Landewiese. Auch
der Weg
an die
lockenden Südwände des Tennengebirges
führt durch eine
große Sinkzone. Entnervt
nach einer Beinahe-Kollision mit unserem
Vereinstandem im engen
Aufwindband
vor dem Ost-Startplatz
versuche ich
mit zu wenig
Höhe mein
Glück mit
dem
Abflug und saufe kolossal ab. Zwei Gleit-
schirmflieger helfen mir,
den Drachen
vom Landeplatz noch
mal rauf
zur Tal-
station der Bahn
zu schleppen,
Danke!
Beim zweiten Versuch fliege ich raus über die niedrigeren Kuppen südwärts
und finde meinen eigenen Bart. Eine genussvolle Stunde ziehe ich darin meine
Kreise, ohne dass mich ein anderer Flieger besuchen würde. Die Aussicht auf
die Westflanke des
Dachstein, den
Alpenhauptkamm mit
frischem Schnee,
den Hochkönig und das karge, schroffe Tennengebirge ist ein voller Genuss.
Die Landung danach
bekomme ich
zur Analyse
sogar auf
Video. In
der
Position, voll im Lee, falle ich wie ein Stein aus dem Himmel. Am Boden
ist dann zum
Glück nur
ein leichter
Hauch für
eine Landung
bergauf.
Am Montag geht
es endlich
zum Stoderzinken.
Seit drei Tagen quengele ich schon, dass ich dort
fliegen will. Ist
hier doch
der Einstieg in die Renn-
strecke zum Dachstein. Der weite Fußmarsch vom
Parkplatz zum Start
graust zu
recht die
Senioren-
fraktion unseres Vereins. Abends sind dann aber alle
friedlich, fast jeder
hat einen
langen Flug
bekommen.
Zeitig sind wir
da. Ich
erkenne nicht, dass der Säusel-
wind von vorne
schon die
Thermik ist.
Dass ich
die
beste Startzeit vertrödelt
habe, wird
mir klar,
als die
Thermikwolke über mir
das Gelände
abschattet und
der Startwind sofort
von hinten
kommt. Trotzdem
be-
komme ich den ersehnten Flug zum Dachstein und zurück.
Ich fliege in
3 h 37 km bei 120 km geflogener Gesamtstrecke.
Unseren Wetterpropheten
Lucian
sehe ich mit seinem Schirm
bei einer mutigen
Talquerung über
der Talmitte
im Blauen
aufdrehen - weit
über meiner
Höhe unter
einer Wolke.
Er fliegt 67
km bei
90 km
Gesamtstrecke. Seine
beeindruckende Leistung kommt
aus erheblich
effizienterem und strategisch günstigerem Fliegen.
Mit schönen Erinnerungen und viel erfahrener
Fliegerfreundschaft breche ich
am Dienstag
nach einem Frühstücks-Flüglein
heimwärts
auf. Gewitter kommen auf und der Job ruft.