Das Wochenende in Villeneuf ist um.
Hier war ich bereit, den Foil vom Soncheaux in den Genfer See fliegen.
Aber dazu ist
es nicht
gekommen. Stattdessen habe ich fünfmal stehend den
idealen Landeplatz getroffen, eine Menge über unsicheres Fliegen mit Drachen
gelernt und die
Freundlichkeit der
hiesigen Gleiti-Acro-Szene
genossen.
Ich habe noch Zeit und bin auf neue Abenteuer eingestellt.
Das Fliegermekka Wallis
ist von
hier nicht
mehr weit.
Dass hier Hammerfliegen und Rekordstrecken angesagt sind,
hat wohl jeder Flugsportler schon mal gehört. Obwohl ich
nicht aufs Kilometerfressen aus bin, fahre ich hin.
Das Wetter zumindest ist traumhaft.
Am Montag-Nachmittag komme ich an. Alles sieht
bestens aus. Sonne,
Schäfchenwölkchen, ein
großer
Windsack am frisch
gemähten Landeplatz.
Der wird
zwar durch den benachbarten Campingplatz beschränkt,
der sich wie
ein Krebsgeschwür
ausdehnen will.
Mir kommt er
aber schon
noch groß
genug vor.
Ich denke über
ein spätes
Flüglein nach.
Zuerst gehe ich aber zur örtlichen Flugschule
und hole mir
guten Rat.
Der lautet
erstmal,
für heute sei
ich zu
spät. Die
Windsituation
am Landeplatz sei
heute nicht
mehr kalkulierbar.
Strammer Talwind wechselt sich ab mit böigen Kaltluft-
Ausflüssen, die von
den Gletschern
zu Tal
stürzen. Ich
solle
besser am nächsten Tag zeitig starten, und einen schönen Flug genießen.
Wenn ich heute mein Gerät schrotte, hätte ich morgen nichts mehr davon.
Ich bin ein braver Gast.
Und fahre erstmal ohne Flügel aufs Eggishorn
alles Anschauen. Zum Skifahren war ich schon mal hier.
Aber die Gipfelbahn
war wegen
ständigen Sturms
nie in
Betrieb.
Jetzt kann ich im Hemd den grandiosen Ausblick auf den Aletsch-Gletscher
und die umgebenden Viertausender genießen. Abends mache ich mich auf die
Suche nach anderen Landeplätzen und werde in drei Richtungen fündig. Aber
auch da sind die Nachteile nicht zu übersehen. Einer ist im Stadtgebiet, einer
ist lang und schmal, auf einer Seite mit senkrecht abfallender Felswand.
Der dritte ist sehr klein und gleitschirmdominiert. Zu peinlich,
wenn ich da ins benachbarte Flugschulgebäude crashen würde.
Am nächsten Morgen
wuppe ich
den Drachen
in die
Bergbahn.
Und fahre zur
Mittelstation auf
dem Kühboden.
Dass ich
für den
Drachen 7 Franken
extra bezahlen
muss, fällt
dem Seilbahn-Mitar-
beiter erst oben
ein. Die
Schuld bekomme
ich erlassen.
Hier steht
eine luxuriöse Drachen-Rampe. Ganz rauffahren braucht man hier nicht.
Die Tuchflieger starten auf halber Höhe und fliegen rauf zum Gipfel.
Na ja, auch von hier sind über 1000m Höhe zum Landeplatz.
Komischerweise bin ich
allein hier.
Der Wind
kommt mal
von links,
mal von rechts,
manchmal auch
von vorn.
Startbereit stehe
ich eine
ganze Weile auf
der Rampe
bis der
Wind mal
passt. Weil
ich in
so
fantastischer Landschaft nicht
oft um
Fliegen komme,
habe ich
auch
die Kamera an
die Basis
montiert. Dann
geht es
in die
Luft. Und
das
schon vor zwölf Uhr mittags. Erstmal finde ich mich im Gleitflug wieder.
Enervierend lange suche
ich herum,
bis ich
den ersten
Bart finde.
Als ich von
oben auf
die Startrampe
zurück schauen
kann,
kommt Entspannung auf und ich schieße die ersten Fotos.
Eine Weile später kann ich auch das Eggishorn von oben bestaunen.
Inzwischen Muss ich darauf achten, nicht von der Wolkenbasis eingesaugt zu werden.
Ich fange an,
nach Osten
spazieren zu
fliegen, aber
ich bin
feige. Als
das Eggishorn
außer Sichtweite ist,
drehe ich
um und
versuche es
gen Westen.
Auch da ist es nett.
Ich fliege auf Sicherheit und halte mich von Wölkchen zu Wölkchen unter der Basis.
Andere Flieger brettern mit Gleitschirmen und Segelfliegern geradeaus unter mir
durch. Die lassen die letzten paar Meter Höhe aus und fliegen
im Delphin-Flug ihre Kilometer-Rekorde.
Ich genieße die Aussicht auf den Aletsch- und die anderen Gletscher.
Ich habe über
1000m Startplatzüberhöhung,
bin auf
3 ½
Tausend.
Aber die Berge sind hier noch mal einen Kilometer höher. Das hier
ist die volle
Härte des
Alpinfliegens. Einen
Gleitschirmflieger
beobachte ich, wie er im Lee des Eggishorn über dem Aletsch-
gletscher herumgeigt. Ich
fange ihn
auf einem
Foto ein.
Ich würde mich da nie hintrauen.
Eine Notlandung im vergletscherten Gebiet
"ohne Halt, abi in die Spalt'", eine gruselige Vorstellung.
Nach dreieinhalb Stunden habe ich genug und bewege mich Richtung Landeplatz.
Einen Bart nehme ich noch mit, der mich erneut auf Gipfelhöhe des Eggishorn bringt.
Mit über 900
m komme
ich über
dem Landeplatz
an und
fliege Positionskreise.
Über eine Viertelstunde
lang schaue
ich zu, wie da unten alle paar Minuten der Wind dreht.
Ein paar Gleitschirme machen Aufziehübungen. Daran kann ich die Windrichtung gut erkennen.
Rechtzeitig bis zu meinem Landeanflug sind alle Schirmkappen weggeräumt.
Ich pokere auf Talwind und habe Glück. Ich treffe die Mitte des Landeplatzes.
Von dem langen
Flug muss
ich erstmal
im Schattenhäuschen
relaxen –
aha, dafür
steht das
also hier. Wieso ist das so anstrengend, eigentlich ist Fliegen doch nur in der Luft herumhängen?
Der Fluglehrer, der mich gestern beraten hat, gratuliert mir zum gelungenen Flug.
Er hat recht
behalten. Und
dieser Flug
bliebt unvergesslich.
Zum zweiten Mal
freue ich
mich später
am Rechner.
Maxpunkte sagt, das waren über 60 Kilometer –
mein weitester Flug überhaupt, und das
ohne Streckenambitionen.