Um meinen renovierten Impuls vom Check abzuholen, nehme ich ein verlängertes Wochenende im September. Von München zum Tegelberg fahre ich erstmal im Regen.
Am Sonntag schaut der Berg ab und zu durch die verhüllen- den Wolken. Ich fliege einen Abgleiter, durch eine Wolkenlücke. Die Details dieses Fluges vergißt man ansonsten besser. Aber ich merke: Das viele Geld beim Check für neue Flügelrohre, Segelreparaturen und vor allem für eine neue Schaumstoff-Anströmkante hat sich richtig gelohnt. Ich fliege mit meinem "Pink Panther" jetzt einen ganz anderen Drachen. Die Steuerkräfte sind weniger als halb so groß, wie zuvor. Wenn ich zum Schnellflug die Basis an den Bauchnabel ziehe, sinkt er nicht mehr wie ein Stein, sondern fliegt zügig vorwärts.
An meinem blauen Montag ist der Tegelberg immer noch Nebel verhüllt. Auf meine Anfrage "wo fliegen?" rät Manni mir lakonisch zu "tieferen Regionen". Ich nehme ihn beim Wort und flüchte aus dem Allgäu. Kurz vor Ulm kommt die Sonne heraus. Der Wind bleibt kräftig Nordost. Die blühenden Herbstzeitlosen verkünden eindeutig: Der Sommer ist vorbei.
Da fällt mir als Stätte meiner Jugend im Schwabenland die Burg Hoheneuffen ein. Dort habe ich als Youngster schon Drachenflieger beobachtet. Bestimmt seit 30 Jahren fliegen hier schon Deltas "von d´r Alb ra". Schon beim Zuschauen ist der Start direkt an der Burgmauer spektakulär. Der Flug über der Burg: Ein Jugendtraum!
Ich erkunde das Terrain und treffe sogar jemanden vom betreuenden Verein, der mich über die wichtigsten Dinge aufklärt. Heikel an der Rampe vor der Burgmauer sei die horizontale Wirbelbildung. Tatsächlich bekomme ich - startklar auf der Holzrampe stehend - von hinten einen Schubs, dass ich fast die Rampe herunterfalle. Ich setze den Drachen nochmal hart auf die Räder. Auch die Bäume unterhalb der Rampe seien so hoch gewachsen, dass ein Start bei Null-Wind gefährlich werde. "Aber wenn es so kachelt wie heute, kommst Du schon hier weg."
Ich starte in einer milden Phase und es geht sofort hoch. Der kräftige NO bildet östlich der Burg ein genüsslich fliegbares Aufwindband. Die Aussicht über die Burg, die Alb und bis nach Stuttgart ist bombastisch. Ich kann sogar die Kamera herausholen (und das ist nicht mehr die Billigkamera!) Zur Toplandung über die Hochebene zu kommen, gelingt mir allerdings nicht. Dafür ist heute zu viel Ost drin. Auch komme ich nicht höher als 300 m über Start. Keine thermischen Ablösungen sind dazwischen. Warum, das merke ich bei der Landung nach einer ¾ h. Die Landewiese bei Beuren ist quatschnass, obwohl sie am Hang liegt. Wo soll da Thermik herkommen?
Nach mir startet Kollege Martin von der Baustelle des neuen Nordstartplatzes. Er fliegt mit seinem Exxtacy ein paar Runden über der Burg und landet dann top. Sind die Starren Gleitmonster doch die richtigeren Geräte für außeralpin? Nach der Wanderung nach oben besichtige ich den neuen Startplatz noch. Der wird luxuriös und auch für Gleitschirme tauglich. Dort erfahre ich: Mein Flug war historisch. Nach der Einweihung hier wird Starten an der Burg nicht mehr erlaubt sein. Bedingung für die Zulassung des neuen Startplatzes war sogar, dass die Rampe an der Burg abgerissen wird. Na danke, da war ich ja gerade noch rechtzeitig. Sehr zufrieden über die gelungene Zwischenstation fahre ich durch das Stuttgarter Feierabend-Verkehrschaos nach Hause.
WinDfried (19.9.2005)