Pinzgauer Spaziergang

Mitte Mai. Die beste Thermikzeit. Und Feiertage. Ich habe große Lust mal wieder zwischen großen Bergen herum zu fliegen. Legolas äußert ähn- liche Gelüste. Er bietet sogar seinen Bulli an. Gut, damit sind wir flexible Flug- Vagabunden. Ich kann ihm seinen Lieblingsflugberg Jöchelspitze für diesmal ausreden. Stattdessen schlage ich das Flug-Eldorado Schmittenhöhe über Zell am See vor, wo nicht nur zufällig die Seilbahn zu Pfingsten wieder in Betrieb geht. Wir reisen über das Zillertal an und fliegen uns am Samstag dort erstmal warm.
Am Sonntag ist dann schon Hammerwetter. Der Südoststart auf der Schmitten- höhe liegt noch tief im weichen Schnee. Dafür steht aber der Wind gut an, perfekte Startbedingungen. Der Hausbart ist bestens markiert mit kurbelnden Gleitschirmen, Drachen und Segelfliegern. Aufdrehen und der „Pinzgauer Spaziergang“ liegt geradeaus vor einem.
"Pinzgauer" auf Spaziergang sind wohl eher die speziell in diesem Tal gezüchteten Rasserinder gleichen Namens.
Was hört und liest man nicht alles über dieses Fliegerparadies: "Idiotenpumpe, Grasbühelflieger..." Überflüssige Schimpfworte. Außer dass die Seilbahn apokalyptisch teuer ist, gibt es hier nichts zu meckern. Fliegen, wo es geht, ist angesagt! Und heute geht hier was. Viel Schnee liegt noch auf den Bergen ringsum. Hochalpines Feeling, keine Spur von Grasbüheln.
Die Schneegrenze als Abrisskante ist heute die beste Orientierung. Ich fliege konservativ mit meinem Funfex. Ein schwererer Drachen hätte nicht auf das Dach des alten VW-Bus gepasst. Drehe jeden Bart aus bis zum oberen Anschlag. In der oberen Etage fliege ich munter ins Blaue. Und immer rechtzeitig steht der nächste 3-m-Bart im Weg. Während ich dann kurbele, bildet sich über mir die zugehörige Wolke. Drachenfliegers Traum!
Ich werde von Gleitschirmen und anderen Flugobjekten unten durch überholt. Da fliegen welche auf Kilometerfresser-Kurs im Delphinstil geradeaus. Schnell wenn es sinkt, langsam wenn es steigt. Auch Legolas fliegt so. Ich genieße lieber und knipse über 100 Bilder.
Am Pass Thurn, der Schlüsselstelle zum 100-km-Flug ist dann al- les blau. Da verlässt mich der Mut. Alle, die zurück- kommen, sind tief. Ich sehe sogar Drachen und Schirme außenlanden. Also kehre ich um und komme jetzt unter der Wolkenstraße ohne Probleme, wenn auch langsam gegen den östlichen Wind zurück.
So ganz habe ich noch nicht genug. Um den Flug zu verlängern, müsste ich die ganze Chose noch mal fliegen, wie langweilig. Aber unter mir sehe ich saphirblau den Zeller See leuchten, verlockend. Die Wolkenbasis ist inzwischen auf fast 3500 m angestiegen. Ich schaue von oben auf das glitzernde Gletscher-Skigebiet am Kitzsteinhorn. Die Wolkenstraße reicht bis über den See. Also wage ich das unvorstellbare und fliege los gegen den Wind über den See. Auf der anderen Seite finde ich nach etwas Suchen den nächsten Bart und kann das Beweisfoto schießen.
Hochzufrieden gleite ich meine Höhe ab. Heute will ich dringend den offiziellen Landeplatz treffen, damit wir pünktlich auf die lange Heimfahrt kommen. Gestern hatte mich ein Schauer vom Berg gespült und ich bin 2 km davor außen gelandet. Aber dafür gibt es im Pinzgau genug große Butterblumen-Wiesen.
Mit geretteter Ehre und drei schöne Flüge reicher kehren wir zwei Piloten heim und werden das Hammerfliegen zu Pfingsten 2008 nicht so schnell vergessen.
WinDfried (Pfingstmontag, 12. Mai 2008)