endlich turmlos

Sie sind schon schön, die turmlosen Wettkampf-Schwalben aus Italien, Australien oder der Ukraine. Aber zum Fliegen sind sie mir doch ein bisschen unheimlich. Vor kurzem habe ich zum ersten Mal einen vierstelligen Betrag für einen Flügel investiert. Allerdings habe ich mich für ein Produkt aus dem deutschsprachigen Raum entschieden. Gebraucht natürlich, aber ein Baujahr, das mit 20.. anfängt. Seedwings Vertigo 15, DHV 2-3, angeblich der am einfachsten zu fliegende Turmlose, den es gibt.
Sachte taste ich mich an den Vogel heran. Im Fe- bruar in Neumagen bei sanften Idealbedingungen. Am Aufbauplatz bekommen die anderen meine Flüche mit. Der Drachen ist hier bekannter, als ich. Der Aufbau ge- staltet sich zäh. Beim Randbögen-Spannen hole ich mir jedes Mal blutige Finger. Die Segellatten-Federn erfordern schmerzhaft viel Kraft beim Einhängen. Vielleicht hat das Vollmylar-Segel doch schon Schrumpfung erfahren? Die dünne Wettkampf-Unterverspannung gefällt mir auch nicht.Ein Knick und die Stabilität ist dahin. Solchen Draht habe ich früher benutzt, um tote Kälber zu zersägen. Eine Berührung mit meinem Körper bei ruppigem Flug oder Landung und die Schnittwunden sind vorprogrammiert. Die kommt beim nächsten Check weg.
Inzwischen kann ich verstehen, dass etliche alte Drachenflieger zum Gleitschirm gewechselt sind, als solche Drachen in Mode kamen.
In der Luft nach unspektakulärem Start ist dann eitel Freude. Ich fliege einen Flügel, der vorwärts geht, wenn ich ziehe. Um die Kurve geht er leichter, als der Foil. Trotz schwacher Bedingungen kann ich mich halten.
Nur einem LaMouette Atlas kann ich nicht hinterher flie- gen. So langsam geht nicht mehr. Ich whip-stalle und tauche drunter durch. Sein Name ist Programm.
Die Landung gelingt mir zu meiner eige- nen Überraschung auf die Füße. Der Ausdrückpunkt ist gut zu erfühlen.
Das wird mein Schönwetter-Sonntags-Ausnahme-Drachen.
Ostern am Tegelberg bei Idealbedingungen boate ich total happy vier Stunden in alle Richtungen und zurück durch die Gegend. Mit gespannter VG fliegt er mühelos schneller, als der DHV erlaubt. Bei der Landung haue ich mich auf den Wanst. Das mag aber nicht am Drachen liegen.
Heute in Hinterweiler will ich den neuen Vogel hinter dem Schlepp-UL fliegen. Etliche andere Leute hier fliegen auch Seedwings. Qualität spricht sich ohne Werbung herum. Ich über- winde die Eitelkeit des Drachen- piloten und gebe öffentlich zu, dass ich paar Probleme mit dem Gerät habe.Ich bekomme viele gute Tipps.Der Aufbau hakelt damit nicht mehr ganz so.Schau- kelbewegungen um die Hoch- achse im Schleppflug solle ich nicht versuchen auszugleichen. Das wirke nur verstärkend. Die Basis könnte ich ruhig breit fassen, nicht mehr vorne auf der Kröpfung. Meinen ersten Schlepp überstehe ich ohne die Sollbruchstelle zu brechen. Beim zweiten schleppt mich das Trike unter eine schöne schwarze Wolke. Die zieht und ich kann ein Stündchen spazieren fliegen. Am Boden ist dann so viel Wind, dass ich fast zu kurz komme, zur allgemeinen Erheiterung. Dafür aber auf die Füße.
Ein Kollege von mir, der zum Doppelsitzer-Fliegen mit gekommen ist, schießt die Fotos. Danke!
WinDfried (Donnerstag 7.6.2007)