Heute hat sich in Neumagen/Dhron
buchstäblich die Spreu vom Weizen getrennt.
Diese Metapher kommt vom Dreschen des Getreides in der vormaschinellen Landwirtschaft.
Der Wind hat die Spelze hoch geblasen und die Körner zur Nahrung von Mensch und Vieh zurückgelassen.
Nach einem Wochenend-Einsatz brettere ich mal wieder nach Neumagen.
Knackiger Ostwind ist angesagt,
leider mit einer erheblichen Nordkomponente.
Das ist nicht so ideal. Aber nur für die Gegend um Trier ist die Windstärke um
und über 10 Knoten verheißen, die mit dem Drachen ein Obenbleiben garantieren kann.
Alles ist knackig gefroren. Die leicht mit Schnee garnierte Landschaft glänzt unter den Strahlen
einer blassen Wintersonne. Die mehrfach komplex geschichtete winterliche Inversions-Wetterlage
lässt keinerlei Hoffnung auf Thermik zu.
Am Startplatz angekommen, sind etliche Drachen aufgebaut.
Aber keiner fliegt. Der Wind ist eingeschlafen.
Ein Heißluftballon zieht in mittlerer Höhe mit unglaublicher Geschwindigkeit vorbei:
Der Wind ist da irgendwo.
Er reicht nur nicht bis zum Boden.
Ich baue in Ruhe meinen Impuls auf.
Mit einigen anderen Piloten fahren wir
Autos zum Landeplatz und kommen zusammen wieder herauf.
Am Startplatz höre ich Gemunkel von einer
Welle,
die sich bei gedeckelter Inversion über der Nordseite des Osthangs manchmal ausbilden soll.
Dann bemüht sich der Windsack an der Rampe wieder in die Waagerechte.
Und ich starte raus.
Durch Ausfliegen der tiefen Scharten im Hang,
in denen sich der Seitenwind fängt, kann ich mich hochkämpfen,
manchmal sogar über Startplatzhöhe. Etliche andere Drachen fliegen um mich herum.
Es ist ein herrlicher
Landschaftsgenuss. Aber für das Gefummel mit der Kamera erfordert
das hier zu viel Konzentration.
Deshalb komme ich nicht zum knipsen.
Irgendwann sehe ich vier Drachen – zwei Starre, zwei Flexies – winzig klein,
total hoch über der leeigen Nordseite. Ihre Nasen zeigen auch mehr nach Nord als nach Ost.
Wie sind die da hingekommen ? Das muss ich auch versuchen !
Ich lasse mich rüber driften
und versenke mich fulminant bis auf halbe Höhe unter dem Hang.
Mühsam kann ich mich
auf die Südseite zurück retten, wieder auf Kammhöhe zurück.
Ein zweiter Versuch
endet
genauso.
Zweimal habe ich schon das Gurtzeug geöffnet,
weil ich dachte,
jetzt muss ich
zur Landung.
Ich boate noch eine Weile über dem südlichen Teil
des Kammes herum.
Als mir kalt wird, gehe ich landen. Am Landeplatz
ist gemischte Stimmung.
Ich resümiere meinen Flug als "eher ein Kletterkurs".
Nach eineinviertel Stunden Flugzeit will man sich aber nicht beschweren.
Wenig später landet Uwe, der Berliner aus Köln.
Er, der mich am Finkenberg schon mit der Winde
geschleppt hat,
hat heute einen guten Flug erwischt.
Seinen Spice erkenne ich als einen
der ganz Oberen.
Auch am Leuchten in seinen Augen ist sein beglückendes
Erlebnis zu erraten.
Er berichtet von kontinuierlichem Steigen von ein bis
2 m / s im Geradeausflug.
Laut seinem GPS habe er bei 40 km / h
Vorwärtsfahrt
gerade einmal seine Position über Grund halten können.
Da wäre ich mit dem Impuls womöglich schon in Calamitäten gekommen…
"Wellenfliegen mit Rotor", muss man den Tag wohl zusammenfassen.
Langsam verstehe ich besser, warum es Piloten gibt,
die seit vielen
Jahren bei jeder Gelegenheit nach Neumagen kommen.
Dieser trivial
anmutende Soaring-Hang bietet mehr Dimensionen des Fliegens,
als der erste Anblick vermuten lässt …