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Die Ente

Meine Eltern gehen auf die neunzig.
Wir sind um drei zum Weihnachtsessen eingeladen.
Gisela kann nicht mitkommen, ihr geht es zu schlecht.
Aber ihre Papierbäumchen werden begeistert aufgestellt.
Die Ente liegt noch prächtig im Kühlschrank. Meine Mutter
bittet mich, in der Herdbeschreibung nach dem richtigen Modus
zu suchen. Ich kann verzweifelt kaum Ähnlichkeiten zwischen
den Bedienungselementen der Abbildung und denen am Gerät erkennen.
Dann geht es aber plötzlich nur noch um die Bratdauer. Wir sitzen wieder
in der Stube. Meine Mutter findet in der Beschreibung Zeiten zwischen zwei
und drei Stunden. Sie will es genau wissen und studiert weiter. Um vier liegt
die Ente immer noch im Kühlschrank. Ich sage, sie sollte jetzt endlich Wärme kriegen.
Lass uns einfach die Bratzeit "frei Schnauze" bestimmen. Letztlich einigen wir uns auf
dies Verfahren. Gut zwei Stunden später zieht feiner Rauch durch alle Räume. Ich reiße
überall die Fenster auf. Die Ente ist explodiert. Ein Apfel ist abgebrannt. Wir servieren
jetzt einfach. Ein Großteil des Vogels ist noch sehr lecker. Nur die Extremitäten sind nicht
mehr genießbar. Wir kommen überein, nächstes Jahr ein anderes Weihnachtsessen anzupeilen.
Als ich Gisela das bei einem Gläschen Wein erzähle, sagt sie vergnügt: Das solltest du schreiben.
Roßhaupten, den 24. Dezember 2010
Manfred Laudahn
roh 12:05  ·  fertig 12:37  ·  Ergänzung 25.12. 9:52