Halbacht startet der Bus auf dem Dorfplatz. Kräftiger Ostwind, tiefhängende Wolken, ich glaube, da
verpasse ich keinen Flugtag.
Erste Station ist der kleine Ort Wolfegg hinter Leutkirch. Das Automuseum
ist im ehemaligen Pferdestall und anderen Wirtschaftsgebäuden der dortigen Schlossanlage untergebracht.
Gleich im Eingang steht das
älteste Modell von 1907, eine
Leihgabe des Deutschen Museums.
Das Motorrad ist seinerzeit für vier Personen
zugelassen gewesen. Die vierte Person wurde
auf einen Klappsitz hinter den Beiwagen gehängt.
Der Museumsgründer, Fritz B. Busch, war auf Autos und Motorsport
spezialisierter Journalist und konnte den Grundstock seiner Sammlung
vor allem aufbauen, weil nach dem Krieg fast keiner alte Autos haben
wollte und Busch sie auf diese Weise entsorgte. Der Führer erwähnt in
diesem Zusammenhang auch mehrfach Ankaufpreise von 20000 DM,
was im Vergleich zum heutigen Sammlerwert ein Schnäppchen sei.
Der Busch muss also mit seiner Schreibe auch ganz gut verdient haben.
Seine Spezialität waren Lifestyle-Artikel zum Thema Auto.
Zigarre und Whisky. Das Auto als verlängerter Penis. Das
Fahren als Orgasmus-Ersatz. Extremes Macho-Gehabe also.
Der Führer wählt seine Anekdoten vor allem in diesem Geiste.
Frauen interessiere höchstens die Farbe. Männer erstarren
ehrfürchtig vor acht Zylindern. Ich frage nach dem Verbrauch.
25 Liter bei zahmer Fahrweise - sonst eher 45 Liter.
Auf unserer Weiterfahrt kommen wir bei einem Drachenfest vorbei,
das sieht schon von der Straße aus recht eindrucksvoll aus.
Die Basilika in Weingarten ist die größte reine Barockkirche
nördlich der Alpen. Die Schaufassade ist eine Baustelle, eine
Reproduktion ergänzt die Gebäudeansicht für die Besucher.
Die umgebende Stadt war bis Mitte des 19. Jahrhunderts ein Dorf, hieß Altdorf
und wurde erst bei der Stadterhebung nach dem Kloster Weingarten genannt.
Die Kuppel ist wirklich extrem hoch, und wie
wir später merken, sorgt sie für langen Nachhall.
Wie geplant singen wir, zunächst der Männerchor (wo ich dabei bin), dann der gemischte
Chor (wo ich nicht mehr dabei bin und deshalb
fotografieren kann).
Plötzlich geht ein schriller
Pfeifton los. Es hört sich an wie eine Rück-
kopplung. Aber hier ist doch kein Mikrofon!
Im hinteren Altarraum latschen zwei ältere
Damen herum. Es ist die Alarmanlage! Das
ist nicht auszuhalten. Wir gehen alle auf
den Vorplatz, da begrüßt uns der Führer.
Aber der will nach einer kurzen Einführung
draußen unbedingt wieder nach drinnen!
Das ist Folter, da mach ich nicht mit!
Ich erkunde ein bisschen die Stadt.
Da gibt es nur wenige alte Gebäude.
Das nahe Ravensburg wäre als Stadt sicher interessanter gewesen. Bald treffe
ich auf andere Sänger, die vor der Alarmanlage geflüchtet sind.
Auch der Organist hat sein geplantes Konzert abgesagt.
Niemand hat in den zwei Stunden den Alarm abstellen können.
Es hat auch keinen interessiert.
Das "heilige Blut", die Reliquie,
die für die Gründungsphase des
Klosters so entscheidend war,
hätte man locker abräumen können.
Wir kehren noch ein. Das
dunkle Bier ist sehr lecker.
Inzwischen regnet es. Und
auch die ganze Rückfahrt.