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gestern 28.2.4
26.2.4

Die  Bilder  lügen!  Nichts  lassen  sie  ahnen  von  der  Dramatik  des  Tages.  Die Idee ist schon ein paar Tage alt.
Mein  letzter  Skistart  datiert  aus  der  Zeit, wo am Tegelberg noch die Sessellifte existierten (die sind inzwischen 
nach Tschechien verkauft). Ich hatte dort im Winter als  Liftmensch  gejobt.  Natürlich  hätte  ich  auch,  wie  jeder 
brave  Liftmensch, nach  Dienstschluss einfach mit Skiern abfahren  können.  Dazu  hatte  ich  aber  keinen  Bock!
Ich wollte  fliegen!  Wenn ich anderntags meinen  Arbeitsplatz  erreichen  wollte,  brauchte  ich  Skier  (zugegeben,
zweimal  hatte  ich es auch fliegend geschafft, bei perfekten Windbedingungen! Aber hätte ich meinem Chef in die 
Augen  schauen  können  mit  dem  Spruch:  Ich  konnte  den  Lift  nicht  in  Betrieb  nehmen,  oben  am  Tegelberg 
hat der  Wind  gedreht!
?).   Also  musste  ich  in  der  Regel  mit  Skiern  starten.   Sofern  Zuschauer  vorbeikamen,
erinnere  ich  mich  an  die maßlose Begeisterung, die mich umgab. Ich erntete nur ungläubige Gesichter, wenn ich 
wagte,  den  Umstehenden  zu  erzählen,  wie  ekelhaft  Ski  beim  Start  und  wie  lästig Ski  samt  schwerer Stiefel 
in  der  Luft  sind.  Eine  Stunde Thermik  -  grauenhaft!  Da denkt man nur noch an's Abwerfen!
Aber die Tage hab 
ich es mir witzig vorgestellt, es mal wieder zu probieren,  bei dem vielen  Schnee!  Vor  allem  mit  der  Ohrkamera!

Natürlich  habe  ich  sofort an den Hahnenkamm gedacht.  Den oberen Sessellift werden keine Fußgänger befördert,
da haben sich alle treuen Hahnenkammflieger was Skiähnliches an die Füße gebaut. Beim Start verschwinden diese 
Teile meist im Rucksack, oder werden watschelnd eingesetzt.  Der Hahnenkamm ist mein Angstberg,  seit ich mich 
im Juni 2002  am Landeplatz zerlegt habe.  Aber im Winter schreckt mich der Talwind nicht! Das sollte ich packen!

Die erste Herausforderung ist,  die Talstation des Sessellifts zu erreichen.  Die liegt etwa 150 Höhenmeter unter  der 
Bergstation  der  Gondel. Zwei Drittel der Strecke sind problemlos,  flach und breit, und auch der Schnee gut griffig.
Aber dann  hat man die Wahl zwischen Buckelpiste und einer etwas  weniger  steilen  Engstelle.  Ich  wähle  letztere.
Horror! Eisplatten. Zeitweilig ziehe ich den Sack, zeitweilig lass ich ihn rollen. Bin jetzt schon fertig. Am Lift lassen 
mich die Skifahrer allein auf den Sessel,  das Personal hilft auch.  Oben komme ich  gut  raus.  Das  wäre  geschafft!

Der  Wind  tendiert West, das heißt, man muss nach hinten, Richtung Tannheimer Tal starten. Der Startplatz beginnt 
sehr  flach,  wird  dann  richtig steil, aber dort schauen diverse Bäumchen raus. Geht das mit Skiern aus? Man hat ja 
nur  die  schiefe  Ebene,  kann keinen Druck machen. Ich schiebe das Problem vor mir her, baue in Ruhe das Kabel-
gedöns  der  Ohrkamera  zusammen. Schöne Scheiße. Meine Akkus sind wieder mal schwach, das wird nichts. Also 
wieder alles zusammengepackt, die Gepäcktasche im Gurtzeug platzt fast. Einfach einen Skistart, mit weniger Stress.

Ich  probiere es. Der  Schirm  schleift  hinter  mir  her. Im Steilen komme ich auch nicht richtig in Fahrt. Der Schirm 
kommt abrupt,  aber schief. Startabbruch kurz vor den Bäumen. Alle Flieger helfen mir! Ich habe nur die Skier hoch-
zuschaffen, und die setze ich als Handstützen ein. So habe ich nach fünfzehn Minuten einigermaßen wieder Puls und 
Atmung normal. Diesmal  hält  einer  den  Schirm auf und ein anderer schiebt mich! Da kommt der Schirm! Und ich 
lasse  ihn zu weit vorkommen!  Hebe zu spät ab!  Über den nächsten Wipfel komme ich nicht drüber!  Der biegt sich 
elastisch weg! Ich bin total voll Schnee, auch im Gesicht. Aber ich fliege! Nicht auszudenken, das  mit Verkabelung!

Langsam ordne ich mich. Bald kann ich es etwas  genießen,  die  Flanke
hoch überm  Gaichtpass  zu  queren,  auf die Ecke bei Weißenbach zu.
Da habe ich etwas  Steigen,   ich  halte  mich  in  ein  paar   Schleifen.
Das  Kurvenhandling  mit  dem  Körperschwerpunkt  unterm  Popo
ist  erbärmlich.  Und  so  richtig  nach  Kämpfen  ist mir auch nicht.
Bis zur nächsten Ecke  an  der  Lechtal-
verengung   verliere   ich   keine   Höhe,
dann geht es allerdings tierisch  abwärts.
Ich kalkuliere schon eine Außenlandung
unten  am  Lech vor Höfen ein. Schließ-
lich liegt der Landeplatz genau im  Gleit-
winkel und das bleibt auch so. Ich lande
in  diesem  Bereich  genau  in der Loipe.

Eine Stunde später  zittere  ich  noch.
Vom Skistart bin ich wohl geheilt.

Roßhaupten, den 28. Februar 2004
Manfred Laudahn
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