Drachen oder Kite?

Ein Hersteller baut einen Drachen, der Kite heißt. Ich fliege heute einen Drachen, der eigentlich ein Kite ist, eine kleine Lenkmatte. Sturmwarnung von allen Diensten. Bei mir zu Hause kommt eigentlich nur eine steife Brise an. Aber zum manntragenden Fliegen habe ich irgendwie nicht so die richtige Lust. Als Starkwind-Liebhaber habe ich mich schon geoutet. Vor genau einem Jahr hat Manni mich als Gewitterflieger gebrandmarkt. Heute herrscht die Kombination aus beidem. Und das ist mir doch ein bisschen zu heftig.
Dafür habe ich eine geeignete Ersatzbefriedigung: "Groundhändling", Drachen steigen lassen. Habe ich als Junge schon gerne gemacht. Man kann den Wind schön spüren. Man kann ihn nutzen. Und wenn er so bösartig böig ist, wie heute nach dem Sturmfeld von dem Tief über der Ostsee, merke ich es ohne dass gleich mein Leben drunter hängt.
Zwischen den verschiedenen Drachendisziplinen gibt es auch auf Ebay ständig Verwechslungen und Kabbeleien. Die erdverbundene Fraktion besteht energisch auf die Abgrenzung zu den manntragenden Hängegleitern. Ist auch komisch, dass es da keine eigene Rubrik Hängegleiten gibt. Gute Drachen stehen trotzdem manchmal zwischen dem ganzen leinenpflichtigen Ramsch.
Das abgelichtete Exemplar ist nicht ersteigert, sondern geschenkt. Ein Werbegeschenk von einem der Versorger, die an unserer Fliegerei am meisten verdienen. Mit immer teurerem Benzin. Die Abzocke wird inzwischen mit niedlichen Bonussystem-Spielchen und netten Kundenbindungs-Strategien kaschiert. Immerhin schön, dass dabei Werbung für das Drachen- und Gleitschirmfliegen herauskommt. Ich habe drei von den als Lenkdrachen ausgelobten Minikites ergattert. Deren Qualität ist sehr variabel. Bei einem waren die Leinen so zerfranst, dass sie nicht zu gebrauchen waren. Der andere war so vertrimmt, dass er kaum fliegen konnte. Bei keinem sind die Steuerleinen auch nur annähernd gleich lang. Gleich der erste fliegt ganz nett. Danach ist von der überwältigenden Nachfrage wohl die Sorgfalt in der Herstellung baden gegangen.
Interessante Dinge übers Gleitschirm-Fliegen kann ich dabei auch lernen. Schließlich ist er ja eigentlich trotz aller Bergriffsverwirrungen ein kleiner Gleitschirm. Bei schwachem Wind lassen wir ihn auf einer Wiese mit einem einzeln stehenden Baum steigen. Lenkt man den Flieger auf dessen windabgewandte Seite, klappt er ein und fällt als trauriges Stoffknäuel zu Boden. Wiederholbar, ein Lee-Effekt. Bei den heftigeren Böen heute passiert das auch. Aber da geht er manchmal auch wieder auf ...
In dem wilden böigen Wind zwischen zwei Schauern macht er ansonsten erst so richtig Spaß, "aktiv und gefühlvoll" geflogen. Er zieht knackig. Achter und Loops sind kein Problem. Um die Fotos zu schießen, muss ich einhändig fliegen. Das ist bei dem Wind eine besondere Herausforderung. Ich verkürze die rechte Rolle und nehme sie zwischen die Zähne. Mit der linken Hand kann ich nach kurzem Üben den Vogel ins Foto fliegen.
Hoffentlich ist bald wieder Flugwetter.
WinDfried (Dienstag 26. Juni 2007)