Winterflucht

Ein anhaltender Grauschleier liegt über Deutschland. Nur für den nördlichen Alpenrand versprechen die Wetterdienste eventuell Aufhellungen. Da flüchte ich doch mal wieder ins Allgäu. Dort war ich schon viel zu lange nicht mehr. In Kauf nehme ich das Risiko, dass der Föhnwind alle Flugvorhaben vereitelt. Dafür sind Ski und –Stiefel an Bord. Nach doppeltem Auto-Pech liegt der Funfex kurz gepackt herum. Ich will ihn irgendwo aufbauen, wo man mit Langpack nicht hinkommt, damit sich der Aufwand wenigstens gelohnt hat. Da gibt es im „Vitalen Land“ gleich mehrere Möglichkeiten. Und Manni kennt sie alle, aus der Schirmperspektive zumindest. Wir verabreden uns, um dem Talnebel im Königswinkel zu entgehen. Schon am Breitenberg haben wir freien Himmel. Das passt auch für den angesagten Ostwind. Bei der vermaledeiten Minigondel muss ich doch auf das Transportgehänge warten. Immerhin gibt es hier eines und freundliche Seilbahn-Mitarbeiter, die für mich aufladen. Vielen Dank.
Dann geht es mit dem 4-er-Sessellift weiter. Der 2 m Pack quer auf dem Schoß passt genau. Danke auch an die freundlichen Seilbahn-Bediensteten hier! Endlich kann ich am Breitenberg mal von ganz oben Starten. Das ist auch gut so, denn der Wind kommt überraschend aus Südwest – also von hinten. Dort gibt es auch eine startbare Kuppe. Ein älterer Drachenpilot, heute auf Skiern, ist ganz begeistert und schwärmt mir vor, wie gut von hier aus Start und Flug ginge.
Manni geduldet sich fast eine Stunde, bis ich die Bastelkiste flugfertig habe und schießt eine wunderbare Sequenz Startfotos. Vielen herzlichen Dank.
Ich sehe eine große Herde Gämsen und versuche sie fotographisch zu erhaschen. Aber ich erwische nur meinen eigenen Schatten.
Mit verringertem Sinken fliege ich um den Breitenberg. Dass die Höhe fast reichen müsste um so bis nach Pfronten zurück zu kommen, hatte ich mir vorher schon ausgerechnet. Zugleich ins Lee und in den Schatten will ich dann aber doch nicht, sondern überquere das Eng-Tal, um wieder in der Sonne dahin zu gleiten. Auf einem wunderbar präparierten Winterwanderweg lande ich und kann so auch den Drachen mühelos zur Straße tragen.
Ein Rettungshubschrauber überfliegt mich tief. Komisch, mir ist doch gar nichts passiert? Er fliegt auch nicht zum Breitenberg, sondern weiter nach Westen.
Den letzten Kilometer zum Auto trabe ich auf Schusters Rappen. Bis Manni auftaucht, bin ich so auch schon reisefertig.
Wir beschließen den Tag mit weiteren sportlichen Winterabgleitern am Tegelberg.
Am Sonntag-Morgen sind die Berge frei sichtbar. Ich bin direkt in der ersten Gondel. Wer weiß, wann wieder Nebel aufsteigt, oder die anrückende Front den Wind auf Süd verdreht. Aber der Startwind passt und wir kommen alle gut in die Luft.
Manni hat heute auch Drachengurtzeug dabei und fliegt mal wieder meinen Funfex – der lang vermisste erste Drachenflug des Jahres für´s abschweb.de-Tagebuch.
Nach dem zweiten „Speedride“ mit dem Drachen sind beide Vögelchen wieder trocken verpackt auf meinem Autodach und ich denke ans Heimfahren.
Verschwendung nur, dass oben der Wind noch passt. Ein schnelles Flüglein mit dem Gleitschirm ist noch drin. Immerhin mein persönlicher „erster“. Für den Erwerb der grünen Karte bekomme ich Privat-Unterricht und höre sogar etwas noch nicht bekanntes. Danke Manni, auch für die Startfotos.
Oben gebe ich den braven Anfänger und Gastflieger. Ich reihe mich hinter einem Dutzend anderer Piloten in die Tulpenschlange ein. Einer stolpert beim Rückwärtsaufziehen auf den schneeglatten Matten und puttelt eine lange Weile herum, bis er in die Luft kommt. Die anderen starten im Minutentakt. So muss ich kaum eine Viertelstunde warten. Ich verkünde, ich wolle vorwärts starten, weil ich nichts anderes könnte.
Tegelberg-Vielflieger Kurt B., mit dem ich vor längerer Zeit mal unangenehm aneinander geraten bin, macht den Starthelfer. Er merkt offenbar, dass ich ein wenig nervös bin. Er wählt genau die richtigen Worte und Handgriffe, um mich zu beruhigen. Vielen herzlichen Dank, Kurt! Mein Start geht glatt und ich dümpele auch mal unter einem Gleitschirm über die Märchenschlösser. Total relaxt und pünktlich komme ich auf die Heimreise und fahre voll rein in die Wettersauerei der aufziehenden Warmfront.
WinDfried (Samstag / Sonntag 23. / 24. Januar 2010)