Retterwurf

Gleitschirm-Piloten werfen in ihren „Sicherheitstrainings“ zur Übung im Fluge den Rettungsschirm und nehmen anschließend üblicherweise ein Bad im Bergsee. Ersteres will ich auch wissen, aber ohne Folgeschäden, bitte. Vor letzterem wurde ich vielfach gewarnt. Obwohl ich eine Wasserratte bin, habe ich auf ein Bad mit kompletter Flugausrüstung am Leib auch keine Lust.
Letztes Jahr hat in Rio ein Drachen-Tandempilot sich mit dem Notschirm davongemacht und sein Passagier flog allein im Drachen weiter. Beide überlebten.
Eine ähnliche Nummer habe ich heute mit Käpt´n Blaubär erlebt.
Nach der erledigten letzten Garten-Arbeit ziehen wir zum Drachenfliegen. Weil ich Kakao und Kuchen im Strandcafé versprochen habe, kommt mein Engel als Image- Generatrix mit. Mitfliegen mit dem anwesenden charmanten Vereins-Tandemflieger will sie ja nicht, aber den blauen Bär darf ich mal wieder mitnehmen. Der will aber nicht mehr in die Passagier-Position. Schließlich hat er seinen Bäh-Schein in der Tasche und ist ein stolzer Freiflieger. Also kommt er als „Pilot in command“ in der unteren Gurtzeug-Position mit.
Ich habe eh´ mehr Kraft als er. Den schwächlichen Säusel- Südwind auszufliegen, in dem sich nicht mal alle Gleitschirm- Piloten halten konnten, wird eine sanfte Herausforderung. Da kann er vom (relativ) erfahreneren WinDfried über sich vielleicht noch etwas lernen.
Mit seiner Bereitschaft zum Lernen ist es aber nicht mehr so weit her. Er fängt an herumzumotzen, ich solle nicht so nah an die Bäume heran fliegen. Bloß weil keine Blätter mehr drauf sind, wären die nicht weniger gefährlich. Dass hier überwiegend Buchen wachsen, in denen ich schon mal weich gelandet wäre, beruhigt ihn auch nicht wirklich. Als er nach ¼ Stunde nettem Soaren droht, er würde reihern, fliegen wir raus über den Landeplatz.
Da wirft er den Rettungsschirm. Der geht sofort auf. Mit einem für mich überraschend kräftigen Ruck reißt es den Blaubär von mir weg. Der Drachen über mir nickt kräftig ab dabei. Für eine sichere Landung reicht die Höhe gerade noch.
Der Notschirm fällt dann in sich zusammen. Der Blaubär allein ist nicht gewichtig genug, um mit ihm aus der Vertikale in die Horizontale zu pendeln und ihn dabei offen zu halten. Mit flatternden 36 m² gelbem Stoff über sich sinkt der blaue Bär zu Boden. Dass das schneller, als erwartet geht, bewahrt ihn davor, in das Flüsschen zu klatschen, dass die Landewiese umfließt.
Im leichten Landewind kann ich den Retter wenigstens noch ordentlich lüften.
Neu gepackt werden muss er sowieso längst mal wieder. Da kann ich dem Blaubär auch nicht lange böse sein.
Vielen lieben Dank an Steffi B. für die ausgiebige Fotoserie und allen Beteiligten für diesen netten Flugtag!
NACHTRAG für die Sicherheitsfanatiker und Legalisten unter der ansonsten hoch geschätzten Leserschaft: Der Flug fand geplant „nicht dauerhaft höher als 50 m über Grund statt“. Damit ist laut Flugbetriebsordnung kein Rettungsschirm zwingend vorgeschrieben. Also, alles im grünen Bereich, zumindest noch im gelben. Am Startplatz hat keiner der anwesenden Vereinskameraden mitbekommen, dass die Verbindung Gurtzeug-Retter ausgeklinkt war. Niemand war somit Helfer oder Mitwisser bei dem Vorgang.
Da meine Schuhe Haken haben, hatte ich diese mit weißem Tape abgeklebt. Schließlich wollte ich nicht wie ein anderer Kollege kopfüber auf der Landewiese ankommen.
Ich war selbst und allein verantwortlich. Wie meistens in der Fliegerei. Käpt´n Blaubär war nur schuld ...
WinDfried (Samstag 8. November 2008)